Montag, 28.04.2025 08:03 Uhr

Ausstellung Carol Rama

Verantwortlicher Autor: Kurt Lehberger Frankfurt am Main, 11.03.2025, 08:54 Uhr
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Ausstellungsraum in der Schirn Kunsthalle Frankfurt
Ausstellungsraum in der Schirn Kunsthalle Frankfurt  Bild: Kurt Lehberger

Frankfurt am Main [ENA] Carol Rama wurde 1918 in Turin geboren. Ihr Vater war Fabrikbesitzer und stellte Autoteile und Fahrradmodelle her. In Folge der Weltwirtschaftskrise ging er bankrott. Er verarmte und nahm sich später das Leben. Rama war 24 Jahre alt. Ihre Mutter wurde psychisch krank, als sie 15 Jahre alt war.

Ein Jahr nach dem Tod des Vaters richtete sie in Turin ihr eigenes Atelier ein, wo sie bis an ihr Lebensende als Künstlerin arbeitete. Ihre erste Ausstellung wurde 1945 in Turin wegen der Obszönität der Bilder verboten. Erst 1979 konnten die Bilder der 1930er und 40er Jahre in einer Einzelausstellung in Turin der Öffentlichkeit gezeigt werden. Turin durchlebte die geschichtlichen Phasen der Zeit. In den 1920er wurde die Beibehaltung der kapitalistischen Ordnung z.B. durch die Schriften von Gramsci infrage gestellt. Das Scheitern der Arbeiterbewegung erstarkte den F* unter M* bis 1945. Danach kam die 1968er Arbeiter- und Studentenbewegung in die Industriestädte wie Turin.

Der Feminismus entwickelte sich in den 60er und 70er Jahren. Die globale Auseinandersetzung im kalten Krieg zeigte sich u.a. im Vietnamkrieg. Alle diese Themen sind in den Bildern und Kunstwerken von Carol Rama zu finden. Carol Rama ist verletzlich, eigensinnig und provokant. Ihre Bilder handeln von Liebe, Sex, Erotik, Krankheit, Schmerz, Wahnsinn, Krieg und Tod. Sie sind autobiographisch und allgemeingültig, universal verständlich. Kunst grenzt an Wahn. Carol Rama ist mutig. Sie besteht in der von Männern dominierten Kunst. Sie entwickelt ihre eigenen Methoden und folgt keinem Trend. Sie bleibt an das Materielle gebunden und ist somit nicht abstrakt, doch surrealistisch in der Kraft der Werke.

Sie nimmt sich die Freiheit, malt obszöne Bilder, schneidet Tabuthemen an, wird zu einem Skandal in der katholisch, bürgerlichen Umgebung. In den 30er Jahren schuf sie Porträts. Die farbenfrohen Ölgemälde sind minimalistisch, mit wenigen Strichen und fleckenartigen Farbflächen, aber sehr ausdrucksstark. Bilder sind mit Wasserfarben auf Papier gezeichnet. Es sind Objekte wie high Heels mit P* als Innenfutter, Zungen und offene Münder. Sie stehen für Lust, Sexualität, Begierde. Diese, als obszön bezeichneten Werke, wurden verboten. Menschen mit roten Zungen sind ein Zeichen für Offenheit für sexuelle Kontakte. Schlangen von der V* zum Gesicht mit offenem Mund und herausgestreckter Zunge weisen auf die libidinösen Möglichkeiten hin.

Zwei Jahrzehnte lang wurden die Bilder nicht gezeigt. Erst Ende der 70er kamen sie in eine Ausstellung. In den 60er Jahren arbeitete Carol Rama an Bricolagen. Sie erschafft Kunstwerke mit materialisierten, realen Objekten: Puppenaugen, Klebstoff, Sackstoff aus der Industrie, Gummi von Autoreifen, Fahrradschläuche, Drähte, Emailfarben, Pigmentputz, Sprühfarbe, Metallspänne u.a. Einige Bilder sind dreidimensional, die Drähte können von verschiedenen Seiten betrachtet werden. Dreidimensional sind auch die medizinischen Spritzen, die sie in den Mittelpunkt des Bildes anklebt. Bricolage ist ebenso ein Begriff aus der Anthropologie (Claude Lévi-Strauss).

Kulturen entwickeln ihre Kunstwerke aus den unmittelbaren Stoffen und verkörpern in ihnen ihre Identität, verbinden mit ihnen eine heilende und mythische Wirkung. Carol Rama ist frei, öffnet sich und improvisiert, wie wildes Denken. In den 70er Jahren greift sie zu biomorphen Formen. Für sie sind glatte Gummistoffe wie menschliche Haut, erotisch und sanft. In Anspielung auf den Napalm Einsatz im Vietnamkrieg gibt es Bilder, die nur skeletthaft menschliche Wesen zeigen, die Körper sind verbrannt. Carol Rama war in Turin gut vernetzt. Ein Freund aus der Kunstszene war Man Ray.

Zuletzt seien die Froschbilder erwähnt. Die Erklärung des Frosches als Motiv in ihren Bildern gibt Carol Rama. Sie erzählt uns diese rührende Geschichte: „Als ich etwa sechs Jahre alt war, schlief ich mit einem Frosch, der sich an mich geklammert hatte. Als mein Onkel Edoardo mir erklärte, dass er das getan hatte, weil er ein kaltblütiges Tier war, weinte ich den ganzen Tag, denn ich hatte gedacht, es sel Liebe." Der Höhepunkt der Anerkennung ihrer Kunst ist die Verleihung des Goldenen Löwen für ihr Lebenswerk bei der 50. Biennale von Venedig im Jahr 2003. Rama verstarb 2015. Die Ausstellung war bis zum 2. Februar 2025 in der Schirnkunsthalle Frankfurt am Main zu sehen. https://rama.schirn.de/

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